Schurkenpack oder Väter

Give me an Recherche war diesmal angesagt, bei dieser kniffligen Frage, die man sich auf so ganz unterschiedlichen Ebenen und in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen stellen kann. Ich habe sie mir auf einer mir naheliegenden Ebene gestellt – na und wann bzw. wobei geht das besser, als beim Rasenmähen. Es waren nämlich schon deutlich mehr als 2 Wochen um und das Gras und so manches andere ist bereits wieder ziemlich gewuchert.

Habe ich also Zeit und überlege so vor mich hin ratternd, was ich denn im Herbst bzw. in den nächsten Monaten so an Stücken vorbereiten werde. Was kann man sich da so überlegen? Also da gibt’s einige Kriterien

  • Epoche
  • Genre
  • Originalsprache
  • Komponist
  • Charakter eines Stückes
  • aber natürlich auch Charaktere, die als Teil innerhalb eines Werkes eine gewisse Funktion haben.

Natürlich sind all diese Kriterien wichtig bei der Auswahl von Stücken oder Personen und es gibt auch gewisse Entwicklungen, die ein Sänger mal durchmacht bzw. durchmachen kann. Man kann nicht heute so und morgen so, wie ein Chamäleon. Bei manchen Entwicklungen gibt es kein zurück, außer ….. ja, außer man ist nicht darauf angewiesen, sein Geld mit dem Gesang zu verdienen und davon zu leben. So ist es ja wohl bei mir – reines Hobby (oder vielleicht wird es auch mal noch ein bisschen mehr, aber davor gibt es doch eine gewisse Scheu – mal sehen ob sich die bekämpfen oder überlisten lässt).

Ähm – zuvor vielleicht noch ein kleiner Ausflug in die Welt des Baritons (der schönsten Stimmlage habe ich mal gehört …. von mir, hehe). Es gibt nämlich nicht nur einfach den Bariton, sondern vielmehr gibt es mehrere Stimmfächer innerhalb dieser Lage:

  • Lyrischer Bariton manchmal auch Spielbariton genannt
  • Kavaliersbariton
  • Heldenbariton oder Bass-Bariton

Nun, also wie erwähnt – ich muss mich an kein vernünftiges Vorgehen, keine wie immer geplante Entwicklung oder Strategie halten, sondern ich kann (zumindest in diesem Fall ) ) machen, was ich gerne möchte. Daher sind meine Hauptkriterien augenblicklich, das was die singende Person in der Handlung sein soll und (naja, vielleicht kein sehr künstlerisches Ziel) die Wirkung, die mit einem Stück beim Zuhörer / -seher erreicht werden kann. Klingt zwar jetzt etwas reißerisch oder effekthascherisch, aber ist es auch. Bin aber, denke ich nicht der Erste, nicht der Einzige und auch sicher nicht der Letzte. Oder wer möchte behaupten, dass Pavarottis “Nessun dorma” die Oper Turandot ist (sorry, kleiner Ausflug in’s Tenorfach, aber ist halt noch immer am plakativsten und geläufigsten). Langer Rede, kurzer Sinn ich darf mir unter den Stücken für Bariton die effektvollsten heraus picken, ohne Rücksicht auf Verluste. Letzteres auch deswegen, weil natürlich mit den besonderen Effekten, mit den exponierteren Lagen oder mit einer entsprechenden Dramatik eines Stückes auch nur zu oft gewisse Schwierigkeiten verbunden sind, die es zu meistern gilt.

Ist es dann endlich soweit und ich habe Stücke grob vorsortiert, die ich gerne angehen würde, stellt sich heraus, dass ungefähr 2 Typen von Personen dadurch abgedeckt werden: Väter (-liche Freunde) und Schurken, Tyrannen, Machos, Fieslinge oder ganz allgemein einfach Bösewichte jeder Art. Hmm – das bedeutet also nun möglicherweise wieder eine Auswahl zu treffen. Was also fällt in diese 2 Gruppen hinein (außerhalb gibt es wahrscheinlich nur ganz wenige Ausnahmen, die jugendlichen Liebhaber oder Ähnliche sind naturgemäß beim Tenor angesiedelt, aber das ist auch gut so – sind ja meist dann auch nicht so vielschichtig und nicht so interessant – das reduziert sich dann meist etwas auf Schöngesang) ?

Schauen wir uns mal die Väter(-lichen Freunde) bei Verdi und Konsorten an – in meinen teilweise stark gekürzten Fassungen :

  • Aida
    Ägypter gegen Äthiopier – das ist ein Schlachten (schlimmer noch als Simmering gegen Kapfenberg oder so ) ) und zwischen den Fronten ein Liebespaar (Aida, Sopran & Radames, Tenor), das nicht zusammenkommen kann, weil Aida’s Vater (Amonasro, Bariton) auf der falschen Seite steht und weil sowieso eine andere da ist (Amneris, Mezzosopran).
  • Die Meistersinger von Nürnberg
    Das schöne Töchterlein (Eva, Sopran) von einem Reichen (Goldschmied Veit Pogner, Bass) wird im Glückspiel (Meistersingen) vergeben – der beste der Meister (Hans Sachs, Bariton) würde gerne mitmachen, ist aber doch nur ein väterlicher Freund – das Rennen macht ein anderer (Walther von Stolzing, Tenor).
  • La Traviata
    Er (Alfredo Germont, Tenor) liebt sie (Violetta Valery, Sopran), was seinem Vater (Giorgio Germont, Bariton) total missfällt. Das kann nicht gut gehen, aber sie stirbt ohnehin.
  • Luisa Miller
    Man bräuchte nur “Kabale und Liebe” (Friedrich Schiller) sagen, aber trotzdem ein paar Worte zum Inhalt oder besser zu den Überschriften der 3 Akte: Liebe – Intrige – Gift. Es gibt wiederum einige Tote – und zurück bleibt der geknickte Vater (Miller – ein Soldat im Ruhestand, Bariton).
  • Nabucco
    Ein etwas patscherter König (Nabucco eigentlich Nebukadnezar, Bariton) wird von der eigenen Tochter (ja, eigene Tochter!!! Abigaille, Sopran) entmachtet, kommt aber zurück – ihr bleibt nichts als der Freitod.
  • Rigoletto
    Der Hofnarr (Rigoletto, Bariton) hat eine hübsche Tochter, was sein Adeliger (Herzog von Mantua, Tenor) mitbekommt und ganz weidlich auszunutzen versteht – hehe, hier hat wohl ausnahmsweise mal der Tenor die Schurkenrolle ;) . Am Schluss ist sie tot, der arme Vater leidet und der Herzog findet sicher wieder ein Mädchen.
  • Simone Boccanegra
    Ein Korse (Simone, Bariton) soll Doge in Genua werden – das Volk liebt ihn, aber andere nicht. Ganz egal wer alles mitmacht – natürlich auch seine Tochter (Maria Boccanegra unter dem Namen Amelia Grimaldi, Sopran) – und was auch passiert, er muss einfach vergiftet werden und stirbt – nona.
  • und viele andere

Diesen gegenüber steht das ganze Schurkenpack (wieder aus meinem Opernführer für Schnellleser ):

  • Boris Godunow (die Oper)
    Rußland am Wechsel vom 16. zum 17. Jahrhundert wird beherrscht von einem Mann (Boris Godunow, Bariton). Der Usurpator lässt viele umbringen. Obwohl er dann stirbt, geht’s den Leuten dort nicht besser (naja, heute vielleicht ein bisschen).
  • Carmen
    Eine einfache Zigeunerin aus der Zigarettenfabrik (Carmen, Mezzosopran) verwirrt einen Sergeanten (Don José, Tenor) aber schon so was, dass dieser sie schließlich ersticht. Zuvor treffen die beiden immer wieder auf den prahlerischen Torero (Escamillo, Bariton) – ein echter Macho.
  • Der Ring des Nibelungen
    Der (ge-)wichtige Göttervater (Wotan, Bariton) betrügt nicht nur hin und wieder seine Frau (Fricka, Mezzosopran), sondern legt sich auch mit Riesen an (Fasolt & Fafner, Bass). Vier lange Abende in der Oper (Tetralogie und nicht Trilogie) – Das Rheingold („Vorabend“), Die Walküre („Erster Tag“), Siegfried („Zweiter Tag“), Götterdämmerung („Dritter Tag“) – und ca. 15 h später hat er die Parabel um “Liebe und Macht” gegen den listigen Zwerg (Alberich, Bariton) verloren. Sehr viele Figuren (Götter, Riesen, Zwerge, Walküren, Menschen, Rheintöchter und sogar ein Waldvöglein, Sopran), viel List und viel Dunkles – aber nicht verwechseln mit Der Herr der Ringe.
  • Don Giovanni
    Ein wahrer Wüstling oder Lüstling (Don Giovanni, Bariton) hat’s mit vielen Frauen (Donna Elvira, Mezzosopran, Donna Anna, Sopran, Zerlina, Mezzosopran) – sein Diener (Leporello, Bass) weiß ein Liedchen davon zu singen. Wer’s so bunt treibt UND einen fürsorglichen Vater (Der Komtur, Bass) umbringt, wird am Ende von einem Steinernen Gast (wieder der Komtur oder besser gesagt die Statue von seinem Grab, wieder Bass – klar eigentlich) ins Jenseits befördert.
  • Macbeth
    Kennst Du Boris Godunow? Na eben – in Schottland gibt es auch machtgierige Leute (Macbeth, Bariton und seine Lady, Mezzosopran). Mord und Totschlag sind angesagt, aber ein junger Adeliger (Macduff, Tenor) befreit das Volk.
    Zumindest zeitweilig, bis die Queen und ihre Leute sie wieder in die Finger bekommen – das gehört aber nicht mehr zur Oper. 1997 stimmte die schottische Bevölkerung mit überwältigender Mehrheit für ein eigenes Parlament mit begrenzten Kompetenzen innerhalb des Vereinigten Königreichs – ein Anfang.
  • Mefistofeles
    Faust – wer kennt dieses Stück nicht. Er (Faust, Tenor) geht einen Handel mit dem Teufel (Mefistofeles, eigentlich Bass, aber manches von ihm geht auch wunderbar für Bassbariton) ein. Auf der Strecke bleiben andere (Margherita, Sopran).
  • Otello
    Der Mohr – wohl nur eine Metapher – von Venedig (Otello, Tenor) übersieht einen seiner Soldaten (Jago, Bariton) bei einer Beförderung. Schwerer Fehler, der sich rächt, weil dieser Mann nichts Gutes kennt. Nicht nur Otello ist am Ende tot, sondern auch seine Frau (Desdemona, Sopran).
  • Tosca
    Ein Machtmensch durch und durch (Polizeichef Baron Scarpia, Bariton) möchte SIE (die Opernsängerin Floria Tosca, Sopran). Die hat’s aber mehr mit den Künstlern (Maler Mario Cavaradossi, Tenor). Wie geht’s aus – alle sind tot (erstochen, erschossen, in die Tiefe gesprungen).
  • und viele andere

Auf beiden Seiten lassen sich natürlich noch beliebig Beispiele ohne Zahl anführen – eines wäre gerade aktuell Eugen Onegin (bei den Salzburger Festspielen 2007), aber das überlass’ ich euch herauszufinden / zu entscheiden, in welche Gruppe DER wohl gehören mag.

Hm – wofür ich mich nun entscheiden würde, das wäre die nächste Frage – vielleicht sollte ich ja eine kleine Abstimmung machen lassen über die Gruppe oder auch über einzelne Partien bzw. Personen. Ein bisschen Interaktivität wäre hier nicht schlecht, würde ich meinen. Na, bin gespannt, ob da Reaktionen kommen werden. Unter Umständen habe ich mich sogar schon entschieden und würde das revidieren, wenn mir jemand besonders gute Argumente für das eine oder das andere oder vielleicht für ganz was anderes bringt.

(das wäre also Teil III der Rasenmäher Trilogie – traurig, dass sie nun vorbei ist? – dann lass’ es mich wissen; zur Erinnerung nochmals kurz Teil I und II; tja, wenn mir noch was einfiele, aber 4 Teile wären wohl nicht so passend für eine Trilogie, hehe)

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3 Antworten zu Schurkenpack oder Väter

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