Tausendundeine Nacht

Ein herrlicher Sommermorgen – die Sonne blinzelt beim Fenster herein. Und der Rufus?

Beginnt den Morgen – nach einem ausgiebigen Frühstück auf der Terrasse – mit einem wunderbaren Spaziergang entlang eines sommerlich blühenden Kornfeldes – sein Kornfeld oder besser gesagt eines von seinen. Die Energie der Sonne ist zu spüren, aber noch keine Hitze – die wird erst zu Mittag kommen. Während er also dahin streicht, ist er völlig in Gedanken versunken und erinnert sich zurück an damals, an einen schönen Konzertabend in Graz – seinen ersten. Am Programm waren „Die Jahreszeiten“ von Joseph Haydn und Rufus gab einen wunderbaren Simon. Im Verlauf dieses Oratoriums ist übrigens die aufkommende Mittagshitze auch beschrieben und das hat wohl die Erinnerung ausgelöst. Die Stimmung im Saal war herrlich und der Abend ein großer Erfolg.

Zurück bei seinem Landsitz macht es sich Rufus wieder auf der Terrasse gemütlich. Vorbei spazierte eine gewisse bonafilia, die unbedingt wissen wollte, wie denn Rufus‘ perfekter Tag aussehen würde. Rufus bittet sie auf die Terrasse und beginnt nachzudenken, laut nachzudenken. bonafilia sitzt daneben, eine Flasche Schilcher wird geöffnet und Rufus erzählt ganz wehmütig von einem denkwürdigen Abend – einem ganz beschaulichen Abend – mit Arien antiches. Das Publikum lauschte der fabelhaften Pianistin und den Kantilenen, die Rufus verströmte. Das Ende dieses Abends schien mit jedem Stück in weitere Ferne zu rücken – eine Zugabe nach der anderen. Da der Abend so lange dauerte, war es auch nicht möglich an diesem Nachmittag alles fertig zu erzählen, so musste sich bonafilia versichern lassen, dass sie am nächsten Tag wieder vorbeikommen dürfe, um den Rest zu erfahren.

Und so geschah es dann auch – sie kam wieder. Rufus begann erneut zu erzählen und ganz entrückt verwies er auf die letzte Arie antiches – „O del mio dolce ardor„. Dabei fiel ihm wohl etwas anderes ein, denn plötzlich war er in seiner Erzählung mitten in der Metropolitan Opera in New York. Man war versetzt in die Aufführung eines schottischen Dramas, einer Verdi Oper – Macbeth. Große Sänger waren am Werk, eine blendende Regie und der Macbeth des Abends? Rufus. Aber auch der großartigste Gesang half ihm an diesem Abend nicht – Macbeth musste sterben. Nichtsdestotrotz jagte ein Vorhang den nächsten – weit über eine Stunde, bis die Gäste den Saal verließen. Bei der Erzählung muss sich Rufus etwas verzettelt haben, jedenfalls wurde erneut vertagt …

Wie es zu erwarten war, glitt Rufus abermals ab und erzählte von einer Aufführung am Brodway. Was heißt von einer Aufführung? – eine lange Serie von Aufführungen gab es. Und das Stück? „The Beauty and the Beast“ (oder wie es bei uns heißt, Der Schöne und das Biest) von Alan Menken und somit eine Berg- und Talfahrt der Gefühle für das Biest – richtig, Rufus. bonafilia fragte nach, immer und immer wieder zu jeder einzelnen Aufführung und Rufus war nur zu gerne bereit und erzählte eine und die andere und …

… und so hieß, es weiter am nächsten Tag. Das Musical hatte er irgendwie verlassen, aber er war in das europäische Pendant verfallen und schwelgte in Erzählungen über Operetten. Eine Serie hatte es ihm besonders angetan – „Die Lustige Witwe“ von Franz Lehar und darin der leichtfüßige Danilo. Die Produktion stellte die Aufführung der Mörbischer Festspiele dar – herrliche Aufführungen (trotz der unzähligen Gelsen) – jede für sich ein Erlebnis. Die farbenfrohen Schilderungen rissen Rufus so mit, dass er es nicht schaffte, seine Erzählung an diesem Abend abzuschließen.

Ein neuer Tag begann, aber die Freiluftbühne blieb erhalten, auch wenn der Ort ein anderer war. Plötzlich war er sozusagen in Italien – genauer gesagt in der Arena von Verona. Ein Platz, an dem immer große Oper stattfindet – in dem einen Jahr war es DIE Oper von Georges Bizet: CARMEN. Eine rassige Carmen – Elina Garanca – wirbelte über die Bühne und der Macho des Sommers war – wie nicht anders zu erwarten – Rufus. Aber so ein Abend in Verona kann dauern – schließlich wurde zweimal wegen Regens unterbrochen – aber die Oper dennoch fortgesetzt. Außerdem musste das famose Auftrittslied des Toreadors wiederholt werden. Die Zuhörer hielt es nicht auf ihren steinernen harten Sitzen.

Die Unterbrechungen und dadurch entstandenen Verzögerungen bewirkten eine Vertagung auf den nächsten Tag. Begierig das Ende zu erfahren, kam bonafilia abermals vorbei und war doch einigermaßen erstaunt, als da der Champagner der Steiermark – ein feiner Schilchersekt – zur Erzählung aufgetischt war. sFrauli war dieses Mal auch dabei, denn sie wusste, wohin es Rufus verschlagen würde. Ins sommerliche Salzburg – die Festspielsaison war eröffnet worden mit einem der ganz großen Meisterwerke von Wolfgang Amadeus Mozart: Don Giovanni. Der Giovanni wurde auch prompt über die Außenlautsprecher gespielt. Die legendäre Aufnahme mit Rufus und daraus die halsbrecherische Champagnerarie. Ob der Schilchersekt besondere Wirkung entfaltet? Denn plötzlich gab es zu den synthetischen Klängen der Konserve einige Takte Echtes, Authentisches, das noch erahnen ließ, wie toll das Live-Erlebnis vor etlichen Jahren gewesen sein musste. Die Erzählungen zur Premiere und den folgenden Abenden wurden aber noch ergänzt …

… denn bonafilia wollte unbedingt wissen, wie das denn mit den Aufnahmen funktioniert (hat). Interessiert gefragt, kann Rufus natürlich nicht widerstehen. Der Herbst war mittlerweile ins Land gezogen – nicht nur bei Rufus – auch bei den Nachmittagen der Erzählungen. So war auch die zur Verfügung stehende Zeit etwas kürzer und Rufus nahm darauf bedacht. Wie er so dahin spann an einem nebligen mystisch geheimnisvoll wirkenden Novemberabend, begannen seine Augen zu leuchten. Warum? Der Liederabend, von dem er erzählte war ein Abend mit den schönsten Balladen von Carl Loewe und Franz Schubert. Die riesige Carnegie Hall war zum Bersten voll und man konnte in den Pausen zwischen den Stücken eine Stecknadel fallen hören – die Spannung war zum Zerreißen als die Miniopern alla „Odins Meeresritt“ oder „Der Erlkönig“ erklangen. Die Spannung muss sich auf bonafilia übertragen haben, denn obwohl die Erzählung an diesem Abend ein Ende gefunden hatte, bat sie, nein, sie bestand darauf, am nächsten Tag wiederkommen zu dürfen, um noch einer weiteren Geschichte zu lauschen.

Das machte Rufus natürlich gerne und da mittlerweile der Winter eingezogen war, hatte er auch einige Geschichten von Konzerten aus dem Mariinsky-Theater bei der Hand. Aber es waren nicht nur Opern – auch ein Liederabend war dabei – gestaltet nur mit Klavierbegleitung und ausschließlich russischen Liedern von Nikolai Rimski-Korsakow und Modest Mussorgsky. Ein Stück stach heraus, weil bei den Zuhörern bekannter, als die anderen – „Das Lied vom Floh„. Die Schilderung muss wohl so mitreißend gewesen sein, dass Rufus gebeten wurde, noch eine Performance zu versuchen, was er auch tat und dieses wunderbare Kleinod weckte in bonafilia erneut den Wunsch nach mehr …

Und jeder neue Tag brachte neue Erinnerungen an interessante Erlebnisse, an große Abende und so zogen die Wochen, die Monate, die Jahre ins Land – es müssen tausend oder mehr gewesen sein an diesem wunderbaren Tag.

Dieser Beitrag wurde unter Erinnerung, Gesang, Stöckchen veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

17 Antworten zu Tausendundeine Nacht

  1. Pingback: Blog - Parade « Die Welt zu Gast

  2. Wortman schreibt:

    Da hast ja einen halben Roman draus gemacht 😉

  3. bonafilia schreibt:

    hach…war das schön da mit Rufus auf der Terrasse zu sitzen und Schlichersekt zu schlürfen, ein wahrhaft wundervoller „perfekter Tag“…danke!

    Der Vorhang fällt und öffnet sich, Rufus verbeugt sich, wieder fällt der Vorhang und öffnet sich, Rufus verbeugt sich abermals…..danke!

    ♥ Bonafilia

  4. Luiza schreibt:

    WOW!
    Das hört sich gut an. Ich komme Dich besuchen, wenn es einen günstigen Flug gibt:-)

  5. Elisabeth schreibt:

    Jahre später… 😉
    Es ward Winter und es ward Frühling und Sommer und Herbst und wieder Winter… Der Schilchersekt wurde frisch gekeltert und eingekühlt, Unmengen, damit sie für die nächsten Jahre auch ausreichen würden… 😉
    Wie köstlich – als ob ich mit auf dieser Terrasse sass… Dann bräuchtest du aber wesentlich mehr von diesem unwiderstehlich leckeren Schilcher!!! 😉
    Liebste Abendgrüße von Elisabeth

  6. Elisabeth schreibt:

    *lach* Das glaub ich nicht – sFrauli wird bei uns sitzen, und der ganz liebe Rufus wird uns Mädls den Schilcher kredenzen, nicht wahr? 😉

  7. Nirak schreibt:

    Mein perfekter Tag nimmt auch Gestalt an.
    Die Auseinandersetzung mit meinen Träumen ist nicht leicht ..
    Liebe Grüßb: )

  8. Wortman schreibt:

    Da bin ich gespannt, Nirak 🙂

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